7. Dezember
Gendergerechte Sprache im Sport
In der Weihnachtsgeschichte führte der Stern über Betlehem die drei Weißen zur Grippe in der Jesus geboren wurde. Um einen Stern geht es auch im heutigen Adventstürchen – genauer um ein Sternchen: das Gender-Sternchen *.
Über das Gendern kann man viel diskutieren und die Meinungen gehen weit auseinander. Als störend und von einer Beschmutzung der Sprache wird auf der einen Seite geredet, von der Notwendigkeit zur Ansprache aller Menschen auf der anderen Seite. Laut Umfragen sind die meisten Menschen in Deutschland gegen das Gendern.
Wir möchten heute erklären, warum wir unsere Texte trotzdem gendern und gleichzeitig auf Probleme zur richtigen Schreibweise für manche Menschen mit Behinderung hinweisen.
In der deutschen Sprache gibt es das generische Maskulinum, d.h. die geschlechtsneutrale Verwendung maskuliner Substantive oder Pronomen. Demnach sind, wenn man von Bürgern oder Ärzten spricht, rein theoretisch alle mit gemeint: Männer, Frauen und Menschen, die sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen. Man könnte also fragen, warum es überhaupt die Genderdebatte gibt?
Warum wir gendern
Zahlreiche Studien beweisen, dass sich vom generischen Maskulinum nicht alle Menschen angesprochen fühlen. Durch Sprache entstehen Bilder in unseren Köpfen. Diese Bilder können unser Denken mit beeinflussen. Werden nur Männer genannt, spiegelt sich das in unseren gedanklichen Vorstellungen wider. Ein kleines Rätsel hierzu:
Ein Vater und sein Sohn haben einen Autounfall. Der Vater wird dabei getötet, das Kind schwer verletzt. Als das Kind in den OP-Saal gebracht wird, sagt einer der Chirurgen: «Ich kann diese Operation nicht durchführen, dieser Junge ist mein Sohn.» Wie ist das möglich?“
Vermutlich haben die meisten von euch erstmal gestutzt und gedacht, dass der Vater doch beim Unfall gestorben ist, bis euch eingefallen ist, dass es sich beim Chirurgen auch um die Mutter handeln kann. Viele denken zuvor auch erst daran, dass der Junge vielleicht zwei Väter hatte, bevor das innere Bild der weiblichen Chirurgin erscheint. Die Art und Weise wie wir das generische Maskulinum verwenden suggeriert eine bestimmte Vorstellung, wodurch diese kurze Geschichte zu einem Rätsel wird, obwohl es eigentlich keines ist, denn bei Sätzen, die im generischen Maskulinum formuliert sind, stellen sich die meisten Menschen vor allem Männer vor.
Während wir vielleicht gewohnt sind, dass Chirurgen durchaus auch Frauen sein können, auch wenn es sprachlich nicht explizit erwähnt wird, kann die Art unserer Sprache dennoch unsere zu erwartenden Lebensrealitäten beeinflussen. Wenn Kinder nach Berufswünschen gefragt werden, zeigt sich gerade bei Mädchen eine stark eingeschränkte Wahrnehmung ihrer subjektiven Berufswahlmöglichkeiten. Verschiedene Studien (u.a. aus Deutschland, Belgien, USA und Schweden) konnten aber zeigen, dass Kinder, denen die geschlechtergerechten Berufsbezeichnungen präsentiert worden waren, sich eher zutrauten einen „typisch männlichen“ Beruf zu ergreifen als Kinder, denen nur die männliche Pluralform genannt worden war. Gegenderte Sprache hatte demnach ihre subjektiven Wahlmöglichkeiten erweitert und ihr Selbstbewusstsein gestärkt.
Auch bei Erwachsenen hat sich gezeigt, dass Sprache unmittelbaren Einfluss auf die Wahrnehmung und somit auf Vorstellungen von Geschlechterrollen hat. Die Verwendung geschlechtsneutraler Pronomen könne die Akzeptanz von Frauen in öffentlichen Positionen und der LGBTI-Community erhöhen. Und hiermit kommen wir zu einem weiteren Punkt: Gendern schließt niemanden aus, denn es erkennt auch nach außen sicht- und hörbar nicht nur männlich und weiblich an, sondern auch alle Identitätsformen, welche dazwischen oder ringsherum existieren. Eine diskriminierende oder Identitäten ausgrenzende Sprache trägt zur Schaffung und Festigung von Strukturen bei, in denen es benachteiligte Gruppen schwerer haben als unbedingt notwendig. Wenn wir eine inklusive Gesellschaft fordern, müssen wir auch diese Aspekte mitdenken und versuchen jeden mitzunehmen.
Gendern – aber barrierefrei
Nun ist es aber so, dass Sternchen bei Vorlesefunktionen, die blinde Menschen nutzen, mit vorgelesen werden. Das klingt dann so: Chirurg-sternchen-in. Man kann bei Vorlese-Funktionen das Vorlesen des Sternchens ausschalten, da bei den meisten Dokumenten jedoch Pflichtangaben mit Sternchen gekennzeichnet sind, würden blinde Menschen hier Nachteile erfahren. Wir möchten aber alle Menschen ansprechen und gleichzeitig soll niemand durch unsere Sprache unnötige Nachteile erfahren, daher versuchen wir auf geschlechtsneutrale Begriffe wie Studierende und Fachkräfte zurückgreifen. Sollte das an manchen Stellen jedoch zu umständlich klingen – denn es gibt nicht für jede Bezeichnung passende Oberbegriffe – werden wir unsere Texte gendern. Entweder mit dem Sternchen (*) oder mit dem Doppelpunkt.
Gerndern im Sport
Wollen wir noch einen kurzen Blick auf gendergerechte Sprache im Sport werfen. Gerade bei niedrigschwelligen Angeboten, wie Sport, ist es wichtig möglichst alle mit anzusprechen. Im Sport sollen alle Personen über ihr zugeordnetes Geschlecht hinaus Spaß und Freude empfinden und das Können unter Beweis stellen dürfen. Daher kann es hilfreich sein, eine neutral oder gar explizit alle Geschlechter ansprechende Sprache zu verwenden. So werden die (Sport-)Gruppen diverser und die Hürde eine bestimmte Sportart auszuprobieren, welche typischer Weise eher einem oder dem anderen Geschlecht zugeordnet wird, kann sinken.
Daher unser Aufruf, macht euch doch beim nächsten Aushang des Vereins oder Anschreiben eurer Gruppenteilnehmenden Gedanken, wen ihr damit ansprechen möchtet und ob die Gruppe mit dem aufgesetzten Schreiben erreicht wird.