In unserer Rubrik “Interviews rund um die Modellregion” möchten wir inspirierende Persönlichkeiten und spannende Geschichten zu inklusiven Sportangeboten und Initiativen vorstellen. Wenn Sie oder Ihr Verein auch interviewt werden möchte, so sprechen Sie uns gerne an

Kombi-Tanzen
"Umso vielfältiger die Menschen, umso interessanter das Training!" 
Interview mit Kombitänzer Francisco Roda Gracia

Francisco Roda Gracia bereitet die Bewegung zum Rhythmus der Musik viel Freude. Um seine Leidenschaft zum Tanzen und die Liebe zu seiner Frau, die seit vielen Jahren im Rollstuhl sitzt, ausdrücken zu können, tanzt er leidenschaftlich seit dem Jahr 2013 gemeinsam mit ihr im Rollstuhl-Sport-Club (RSC) in Frankfurt. „Der RSC ist mit etwa 300 Mitgliedern und zehn Abteilungen der größte Behindertensportverein Deutschlands, so der begeisterte Rollstuhltänzer. Rollstuhltanz ist eine inklusive Sportart bei dem Rollstuhlfahrer*innen gemeinsam mit nicht behinderten Menschen tanzen können. Dabei ist Eleganz, Rhythmus und Stil das Kennzeichen einer Tanzeinlage. Der Rollstuhl darf beim Tanzen gekippt, gedreht oder gestoppt werden.

Im Nachkommenden erzählt uns der Sportler, wie er zum Rollstuhltanzen gekommen ist und wie er mit seiner Frau persönlich zum Thema Barrierefreiheit und Inklusion steht.

„Mein ältester Sohn wollte im Jahr 2014 heiraten, zu diesem Zeitpunkt saß meine Frau schon im Rollstuhl. Da wir beide sehr bewegungsfreundliche Menschen sind und uns das Tanzen im herkömmlichen Sinne nicht möglich ist, standen wir beim Ausgehen immer auf der Tanzfläche und haben zur Musik hin und her gewackelt. Unser Traum war es, an der Hochzeit unseres Sohnes „richtig“ tanzen zu können und es etwas professioneller angehen zu lassen.“
Doch das war nicht der einzige Grund, weshalb sich Roda Gracia auf das Rollstuhltanzen einließ. „Vor allem wollte ich mich mit meiner Frau gemeinsam bewegen, ich wollte ihr zeigen, wie nah sie mir ist. Auch wenn sie so einen Schicksalsschlag erleiden musste, möchte ich, dass sie weiß, dass ich zu ihr stehe und sie noch genauso, wie vor fast 50 Jahren liebe. Wie in guten, so auch in schlechten Zeiten habe ich ihr damals versprochen und dies werde ich auch halten.“

Herr Roda Gracia recherchierte im Internet zum Thema Rollstuhltanz und stieß dabei auf ein Video. Dieses Video zeigte einen langsamen Walzer. „Ich empfand es als sehr graziös und angenehm, es hat mir wirklich sehr gefallen“, erzählte er.
Über die Homepage des RSC in Frankfurt fand er heraus, wer der Ansprechpartner der Tanzgruppe ist und wann das Probetraining stattfindet. Zu diesem wurde er eingeladen, von Beginn an wurden die beiden in die gemischte Tanzgruppe mit Rollstuhlfahrern und Fußgängern integriert.
„Die Hochzeit war natürlich der absolute Renner“, berichtet der Rollstuhltänzer.

Der Sportler erzählt, dass er in vielen Situationen die Erfahrung gemacht habe, dass Menschen sich über Erkrankungen keine Gedanken machen. „Man ist immer nur dann offen für etwas Neues, wenn man auch selbst betroffen ist. Das Leben ist sehr schön, wenn man gesund und jung ist, aber wenn man erkrankt, hat man ein Problem, dann erkennt man erst wie viele Barrieren die Welt hat“

Dennoch lässt sich das Ehepaar nicht von der Krankheit beeinflussen und auch nicht die Freude am Leben nehmen. „Wir nehmen es positiv auf, es ist so wie es ist“

Auf die Nachfrage hin, wie das Rollstuhltanzen funktioniert und ob es besondere Regeln gibt, antwortet Roda Gracia: „Zu Beginn ist es wichtig zu wissen, dass es zwei Leistungsklassen gibt. LWD I und LWD II, LWD steht für „Level Wheelchair Dance“. Die Zuteilung zu einer Klasse erfolgt dabei nach den körperlichen Voraussetzungen der Rollstuhltänzer. Dabei ist LWD 1 die körperlich eingeschränktere Klasse.“
Als nächstes gibt es verschiedene Tanzkategorien. Zu den Standarttänzen gehört der Wiener Walzer, der langsame Walzer, Slowfox, Tango und Quickstep.
Eine weitere Kategorie sind die Lateinamerikanischen Tänze, diese sind viel schneller und stimmungsvoller als die Standardtänze, zu diesen gehört Samba, ChaChacha, Pasodoble, Rumba und der Jive.
Darüber hinaus gibt es den Duo- und den Kombi-Tanz, beide gibt es sowohl im Breiten- als auch im Leistungssport. Während beim Duo-Tanzen zwei Rollstuhltänzer*innen miteinander tanzen, besteht das Tanzpaar beim Kombi-Tanzen aus einem Tänzer ohne Handicap und einem Rollstuhlfahrer.
Auch der Solotanz, bestehend aus einem oder einer Tänzer*in mit Behinderung, ist nicht zu vergessen.
Allgemein empfiehlt sich das Rollstuhltanzen mit einem speziell auf den Körper angepassten Sportrollstuhl. Denn diese sind im Vergleich zu den herkömmlichen Rollstühlen wendiger und leichter.

Auch der Solotanz, bestehend aus einem oder einer Tänzer*in mit Behinderung, ist nicht zu vergessen.
Allgemein empfiehlt sich das Rollstuhltanzen mit einem speziell auf den Körper angepassten Sportrollstuhl. Denn diese sind im Vergleich zu den herkömmlichen Rollstühlen wendiger und leichter.

„Bei unserem Sport darf nicht verkannt werden, dass beide Tanzpartner eine gewisse Haltung bewahren müssen, damit der Tanz auch ansprechend rüberkommt. Der oder die Rollstuhltänzer‘*in muss beim Tanzen den Rollstuhl aus der Hüfte heraus lenken, das ist ganz schön anstrengend, wenn man bedenkt den Rollstuhl durch die Hüfte nach vorne, hinten oder zur Seite zu bewegen, auch eine Drehung ist so möglich.
Das einzige, was Rollstuhlfahrer*innen nicht können, ist mit dem Rollstuhl quer fahren. Dieser Teil wird dann in den Tänzen entsprechend abgewandelt“

Das Tanztraining des RSC Frankfurt ist für alle Interessierten offen und findet jeden Donnerstag von 19:30 – 21:00 Uhr in einer kleinen Turnhalle der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) in Frankfurt statt. Die Turnhalle ist barrierefrei gestaltet und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen zusätzlich stehen für Vereinsmitglieder kostenfreie Parkplätze zur Verfügung.
„Jeder, der möchte, darf mittanzen. Man sollte allerdings in der Lage sein, das Gehörte umsetzen zu können. Sollte jemand geistig stark beeinträchtigt sein, wäre es eine Hürde, allerdings eine, die auch zu lösen wäre. Das Team ist allen Menschen gegenüber offen, egal ob mit Behinderung, Migrationshintergrund oder Fußgängern die reinschnuppern möchten.

„Über jeden Einzelnen Zugewinn sind wir froh. Denn umso vielfältiger die Menschen sind, desto interessanter ist das Training“.

Francisco Roda Gracia betont, dass Barrierefreiheit erstmal in den Köpfen der Menschen entsteht. „Ich wünsche mir das Verständnis der Personen, die Einfluss auf unser gesellschaftliches Leben haben und ein Umdenken in dieser bewirken können.  Ich wünsche diesen Menschen einen erweiterten Blickwinkel, auch mit Minimalzielen, wie die Ecken eines Bürgersteigs abzusenken, damit Rollstuhlfahrer, Rollatoren und Kinderwägen problemlos den Bürgersteig nutzen können, sind schon ein Fortschritt. Bei Bauvorhaben, besonders in öffentlichen Bauten, sollte Barrierefreiheit umgesetzt werden. Inklusion ist eine wundervolle Sache, sie muss nur gelebt werden. Barrierefreiheit sollte in den Köpfen der Menschen und der Planer verankert sein.“

Auf die Nachfrage hin, wie sich eine Sportstätte für alle nutzbar gestalten lässt, antwortet der Sportler, dass jede Sportstätte ebenerdig und mit breiten Durchgängen gebaut sein sollte. Ebenfalls sollte sie mit einem Aufzug ausgestattet werden. Treppenhäuser sollten nicht im Gebäude, sondern außerhalb des Gebäudes gebaut werden.

Gibt es Probleme beim Sportmachen, wenn ja, welche?
„Probleme beim Sport selbst nicht, es gibt keine Probleme aber gewisse körperliche Barrieren, die einem den Sport eventuell nicht so betreiben lassen können wie man möchte. In der Klasse LWD I gibt es Personen die in einem Elektrorollstuhl sitzen und die die ganze Kreativität eines Tanzes nur durch Kopfbewegungen oder einer Hand zum Ausdruck bringen müssen. Ansonsten gibt es keine Schwierigkeiten, die Halle könnte etwas größer sein aber das ist meckern auf hohem Niveau.“

Was bedeutet für Sie Infrastruktur?
„Bei diesem Thema gibt es bei Weitem noch Verbesserungsbedarf. Es gibt viele Busse die sich absenken lassen. Viele der Tänzer kommen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, allerdings sind die Wege dorthin meistens die Herausforderung. Man kann sagen, es geht, aber es geht bei Weitem noch besser. Mobilität für mobilitätseingeschränkte Personen sollte verbessert werden. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist Menschen mit Behinderung gesetzlich zugesichert. Allerdings werden diese Personen in Vielem gehindert. Barrieren werden im öffentlichen Nahverkehr nach und nach abgebaut. An Haltestellen sollte die Fahrbahn angehoben sein, damit jemand mit einem Rollstuhl problemlos in den Bus oder die Straßenbahn einsteigen können. Einstiegsmöglichkeiten sind gegeben. Eine Straßenbahn kann nicht gekippt werden.
Abschließend möchte Herr Roda Gracia an alle, die ohne Behinderung mitten im Leben stehen appellieren: „Jeder dieser Menschen sollte sich bewusst machen, dass dieser Moment, in dem man sich aktuell befindet, einem von heute auf morgen genommen werden kann. Wir sollten in uns gehen und versuchen uns in die Lage eines behinderten Menschen hineinzuversetzen und uns überlegen, wie wir selbst in dieser Position Handeln würden.

Alles kann so einfach sein, man muss nur akzeptieren und respektieren.
„Jeder der von einer Erkrankung betroffen ist, sollte diese annehmen, denn wer das macht, lebt dementsprechend lockerer.“

Von Carolin Tomala

Vergangene Interviews können Sie gerne hier nachlesen. Über die Kacheln gelangen Sie zu unseren bisherigen Interviews. Wenn Sie oder Ihr Verein auch interviewt werden möchten, so sprechen Sie uns gerne an

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Bei Fragen und Anregungen stehen ihnen die Verantwortlichen für dieses Teilprojekt gerne zur Verfügung.

Dr. Zeljko Crncic

Gin Tonic

Tel:  06151/881-1578
Mail: z.crncic@ladadi.de

Ellen Lewis

Tel: 0163 -6675880
Mail:Ellen.lewis@skdadi.de

Wir tauchen dann mal ab

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