Türchen 12
Heute möchten wir euch eine spannende inklusive Sportart vorstellen – Tischball, oder auch Showdown genannt. Hierfür haben wir zwei echte Profis befragt.
Inklusion an der Platte
Bei Sportarten wie dem Tischtennis wird dem Spieler oder der Spielerin einiges abverlangt. Eigenschaften wie schnelle Reflexe bei der Abwehr gegnerischer Bälle oder der präzise Einsatz von Kraft beim Aufschlag sind gefragt. Was ist aber, wenn der Spieler den Ball gar nicht oder nur sehr schlecht sieht, aber trotzdem gern eine ähnliche Art von Sport betreiben möchte? Die Sportart Showdown – auch Tischball genannt – bietet da eine praktische Alternative.
Die Sportart Tischball – Wie funktioniert es?
Beim Tischball stehen sich auf der kurzen Seite einer ca. 1.2 x 3.6 m großen Platte zwei Spieler gegenüber. Die Platte ist komplett von einer 14 cm hohen Seitenbande umgeben. Eine Mittelbande steht auf der Seitenbande und trennt die Spielfläche in zwei gleichgroße Hälften. Der Ball wird mit einem Schläger, der 20x 7,5 cm groß ist und einen Griff von 10 cm Länge hat, von der einen auf die andere Seite befördert. Der Ball hat einen Durchmesser von 6 cm, rasselt und ist dadurch gut zu hören. Als Tore dienen zwei Vertiefungen in der Platte.
Sara Bösch aus Marburg begann 2013 mit dem Sport. Tischball gefiel ihr auf Anhieb so gut, dass sie mit Mitspielerinnen und Mitspielern noch im selben Jahr einen Verein in ihrer Stadt gründete. „Am Tischball gefällt mir, dass man seinen Platz hat und sich nicht ständig um die Orientierung kümmern muss, was für blinde Leute bei anderen Sportarten durchaus ein Thema ist. Man steht an einem Platz und kann dann sehr vielfältig agieren“, erklärt sie.
Auch Elvira Osewald organisierte 2010 in Frankfurt eine Spielmöglichkeit. Beim Verein SV Blau-Gelb entstand eine Abteilung Tischball. Um das Spiel richtig zu lernen, suchte sich Osewald einen Trainer, mit dem sie und ihre Vereinsmitglieder sich die Eigenheiten der Sportart aneignen konnten. Dabei kommt es durchaus auf Details an. So kann etwa durch eine leichte Drehung des Schlägers die Bewegung des Balls bedeutend verändert werden. Dadurch entsteht eine hohe Dynamik beim Spielen. Aber auch ganz grundlegende Dinge müssen beachtet werden, betont Osewald: „Als erstes lernt man beim Tischball, dass die Hand, die nicht am Spiel beteiligt ist, nicht auf der Platte liegen darf. Sonst kann es zu Verletzungen der Fingerkuppen durch den Ball kommen. Das Signal des Schiedsrichters muss unbedingt beachtet werden.“
In der Vergangenheit wurde in der Disziplin Tischball viel Aufbauarbeit geleistet, denn es gab davor kein Tischballtraining als Fach. Die Initiativen in Frankfurt und Marburg zeigen, dass es bei vielen Sportlerinnen und Sportlern eine große Motivation gibt, zu trainieren und auch an Wettkämpfen teilzunehmen. In den letzten Jahren sind die Abteilungen einen weiten Weg gegangen und haben viele Menschen angesprochen, ob mit oder ohne Sehbehinderung. Sara Bösch meint: „Unabhängig, ob jemand sehen kann oder blind ist, kann man beim Tischball richtige Fähigkeiten entwickeln. Es gibt wirklich harte Trainings, bei denen man etwa lernt, den Ball zu kontrollieren. Ich kenne viele sehende Spieler und Spielerinnen, die extrem viel Spaß beim Tischball haben.“
Elvira Osewald unterstreicht die Niedrigschwelligkeit der Sportart: „Das Tolle ist, das man am Anfang sehr schnell mitspielen kann auf einem gewissen Niveau. Dabei muss man sich darauf einlassen, dass man den Ball hören muss und ihn dann mit dem Schläger kriegen will. Gutes Hören ist sehr wichtig, um den Ball orten zu können.“
Nicht nur in Frankfurt oder Marburg wird Tischball gespielt, sondern in ganz Deutschland und auch auf internationaler Ebene. So ist Elvira Osewald die Regionalleiterin der Sportart im süddeutschen Bereich. Insgesamt gibt es vier Regionen mit 28 Standorten, wobei Hessen im Süden die Hochburg ist. Zwischen 150 und 200 aktive Spielerinnen und Spieler betreiben in Deutschland Tischball.
Blinde und sehende Spielerinnen und Spieler können die Sportart zusammen ausüben. So kam 2015 ein Mann zur Frankfurter Abteilung des SV Blau-Gelb, der Tischball beim Kabarettisten Ekhart von Hirschhausen gesehen hatte und sie ausprobieren wollte. Inklusion ist also eine Sache, die von zwei Seiten betrieben wird. Menschen mit und ohne Behinderung bewegen sich auf einander zu. Auch in Darmstadt, beim Sport- und Spielfest 2017, wurde Tischball schon einmal vorgestellt, und die Menschen konnten es ausprobieren”, erzählt Elvira Oswald. Und die Sportart soll zukünftig regelmäßig und dauerhaft angeboten werden. Der VSG Darmstadt will das Sportangebot in sein Programm mit aufnehmen. Gesucht wird nur noch ein Standort, wo ein Tischballtisch dauerhaft platziert werden kann und wo dann auch die Trainingsstunden stattfinden können.
Sara Bösch hebt abschließend ebenfalls das Verbindende der Sportart hervor: „Ich finde toll, dass Tischball eine ernstzunehmende Aktivität ist, die gemeinschaftlich gespielt wird. Dabei geht es nicht nur darum, einen Sport zu machen, der auf eine Gruppe – also blinde oder sehbehinderte Menschen – zugeschnitten ist. Es ist nicht so ein Nischending, sondern gerade auf Turnieren hat man das Gefühl etwas gemeinsam zu machen und auch den Drive, gewinnen zu wollen.“
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